Entstanden ist dieser Poetry-Slam-Text im Auftrag von Engagement Global für den Kommunalkongress „Nachhaltigkeit aktiv gestalten – die Kommunen gehen voran!“ am 05. und 06. Juni in Potsdam, der gemeinsam von der Bertelsmann Stiftung und der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt von Engagement Global ausgerichtet wurde. Bei der Veranstaltung ging es darum, Bilanz zu ziehen: Wo stehen wir gerade zur Halbzeit auf dem Weg der Agenda 2030 und wo und wie können wir nun noch mehr tun, damit dieser Transformationsprozess tatsächlich gelingen kann? Mit meinem poetischen Beitrag – ergänzt durch den bei meinem Auftritt am zweiten Tag zusätzlich vorgetragenen Text „Da sind Menschen“ – habe ich mich intensiv mit dem Status quo auseinandergesetzt und dabei auch für mich selbst noch einmal mehr gemerkt, wie unglaublich wichtig es ist, dass wir hier auf sämtlichen Ebenen zusammenhalten und uns gemeinsam für eine lebenswerte Zukunft einsetzen.

Poetry Slammer Zwergriese mit einem Text über Nachhaltigkeit beim Kommunalkongress Nachhaltigkeit aktiv gestalten im Juni 2023 in Potsdam
Foto: Bertelsmann Stiftung, Sebastian Pfütze

„Fail, but fail fast! – und dann Repeat“ | ausprobieren, besser machen & Nachhaltigkeit verankern

Vor siebeneinhalb Jahren, da standen wir noch am Anfang.
Da waren Wille und Visionen – die fanden allmählich auch Anklang.
Und langsam, noch handzahm, entstand dann Bewegung
mit Strategien und Konzepten, mit Austausch und Handlungsempfehlung.
Aus Ideen wurden Pläne, dann Taten, schließlich die ersten Erfolge.
Ein paar von euch waren bereits dabei, und noch mehr würden folgen.
Das war und ist bis heute so wichtig, denn weit reichender Wandel, der geht
noch immer am besten mit vielen auf einem gemeinsamen Weg.
Und wenn dabei auch einfach mal Handeln entsteht.

Doch allein dass die Agenda dort steht, zeigt schon, dass wir als Weltengemeinschaft Veränderung wagen,
dass wir uns über jegliche Grenzen hinweg verzahnen,
um voneinander zu lernen und Projekte zu starten,
von zahlreichen Händen getragen,
und um so von vielerlei Orten aus weitere Wellen zu schlagen.
(Zumindest in der Theorie …)

Das braucht oft einen längeren Atem als gedacht – ja, das merken wir selbst.
Wenn die anfängliche Euphorie im endlosen Netz aus Prozessen zerfällt.
Wenn zwischen strahlenden Leuchtturmprojekten noch viel zu viele Stellen dunkel bleiben.
Und wir uns hin und wieder fragen, ob das wirklich realistisch ist: hier das Ruder umzureißen.
Was da alles vor uns liegt, ist einfach mächtig groß!
Und während die Theorie sich überflügelt, liegen doch sehr viele Hände noch im Schoß,
weil es ja nicht gerade leicht ist, hier wirklich ganz konkret etwas zu reißen.
Guter Vorsatz, große Worte, doch dann Ohnmacht und etwas später bloß betretenes Schweigen.

Denn wenn wir ehrlich sind, muss da noch mehr gehen, sonst werden wir scheitern.
Erst recht, wenn wir nur zaghaft tun, um jeglichen Ärger zu vermeiden.
Was sich mitunter anfühlt, wie nach den Sternen zu greifen,
(um auf der Erde zu bleiben,)
(um auf der Erde zu bleiben,)
bedeutet letztendlich: Wir müssen machen, messen, lernen und erweitern.
Und das noch viel schneller als bisher, weil die Zeit rast und fliegt.
Also lasst uns einfach schaffen – Fail, but fail fast! – und dann Repeat, nur diesmal eben besser für das gemeinsame Ziel.

Was ein elektrisierendes Gefühl, das uns hier zieht! –
Immerhin schon ein Fortschritt zu weiter mit Gas und Benzin …


„Die Agenda 2030 ist weitflächig sicht- und spürbar geworden …“


Wir haben angefangen, wir sind in Bewegung und das ist gut. So viel ist passiert, seit 193 Länder gemeinsam die Agenda 2030 beschlossen und in konkreten, messbaren Zielen ausformuliert haben, um so einen allumspannenden Impuls und Startpunkt zu setzen – als Weltengemeinschaft, die alle Länder miteinbezieht, verschiedene Perspektiven berücksichtigt und der globalen Verantwortung von uns allen wirklich gerecht wird.

Darauf aufbauend haben wir in den vergangenen Jahren einiges erreichen können: Menschen haben sich zusammengefunden, es gab entscheidende Ratsbeschlüsse, viele tolle Projekte sind entstanden, Die Agenda 2030 ist weitflächig sicht- und spürbar geworden und konnte vielerorts fest in den kommunalen Strukturen verankert werden.

Wir können ganz also schön stolz sein auf das, was wir bisher geschafft haben!

Und zugleich müssen wir aufpassen, dass wir uns nicht selbst austricksen.

Es ist so leicht, sich in großartigen Gedanken zu verlieren und dann vor lauter Ideen gar nicht mehr dazu zu kommen, sie auch umzusetzen. Oder von ihnen beschwingt mit unbändiger Motivation voranzupreschen, uns dann aber durch die Hürden der Bürokratie, politische Prioritäten oder auch einfach ungünstige Zufälle so stark ausbremsen zu lassen, dass wir in den anfänglichen Sieben-Meilen-Stiefeln schließlich nur noch Trippelschritte machen.

Es ist so leicht, sich in einer Gemeinschaft aus aktiven Akteur:innen von den vielen tollen Bewegungen mitreißen zu lassen, miteinander zu sprechen, sich untereinander zu unterstützen – und dabei jene außer Acht zu lassen, die noch nicht mit an Bord sind. Die wir aber brauchen, um das durchzuziehen.

Es ist so leicht zu vergessen, dass wir zwar mittlerweile sehr viele sind – und zugleich noch immer viel zu wenige. Und es ist leicht, sich voll und ganz im Prozess zu verlieren und dabei schließlich vollkommen zu vergessen, auch mal die Uhr zu schauen.

Doch die Zeit drängt.


„Seit den 50ern wissen wir genug über den menschengemachten Klimawandel, um uns der Gefahren bewusst zu sein“


Wir müssen dringend einen Zahn zulegen. Nicht bloß, weil wir sonst an den selbstgesteckten Zielen scheitern und uns dann eben für einen Moment blöd fühlen würden. Sondern weil wir – neben vielen anderen Gründen – allein schon durch den Klimawandel einen unsichtbaren Countdown auf der Brust tragen und die Menschheit hier schon viel zu viel Zeit verschenkt hat. Dass der Treibhauseffekt entdeckt wurde, ist fast 200 Jahre her. Seit den 50ern wissen wir genug über den menschengemachten Klimawandel, um uns der Gefahren bewusst zu sein, und spätestens seit den späten 80ern können wir diese Gefahren wirklich nicht mehr leugnen. 2007 ist Lewis Pugh in Badehose einen Kilometer Strecke im eiskalten Nordpolarmeer geschwommen – knapp 19 Minuten bei minus 1,7 Grad Wassertemperatur! –, um auf das Schmelzen der Pole und die Folgen des Klimawandels aufmerksam zu machen. Das ist fast 16 Jahre her! Und dass schließlich Schüler:innen, die größtenteils nicht älter sind als ebendiese Zeitspanne, breitflächig damit angefangen haben, jenen Job zu übernehmen, der eigentlich bei uns liegt, ist mittlerweile auch schon fünf Jahre her. Wenn wir also heute hier stehen und sowohl zurück als auch nach vorne blicken, so heißt es nicht nur Bilanz zu ziehen, sondern auch und vor allem die Brisanz dahinter zu sehen. Was wir hier tun und was wir von hier mitnehmen hat allerhöchste Halbzeitbrisanz!

Deswegen ist es wichtig und unabdingbar, in den kommenden Jahren wirklich alles zu geben, um eine ernsthafte, realistische Perspektive für diese Welt zu schaffen.

Okay, ja, klingt gut. Aber wie denn jetzt eigentlich genau?

Wenn eine Sache so unglaublich komplex ist,
dass wir einfach nicht recht vorankommen, obwohl sie uns doch unablässig beschäftigt,
dann wird es wichtiger denn je, nicht auf Wunder zu setzen,
sondern das, was vor uns liegt, in kleine und vor allem machbare Schritte herunterzubrechen.


Dass wir gemeinsam eine Breitenwirkung entfalten, ein Netz aus Impulsen, dass wir Pfade, Wege und schließlich ganze Infrastrukturen prägen, auf denen Veränderung passieren kann.“


Und genau das ist etwas, wobei dieser Kommunalkongress uns allen weiterhelfen kann. Wir haben zahlreiche Beispiele gesehen, noch einmal gespürt, wie wichtig es doch ist, stets nach links und rechts zu schauen, sich gegenseitig zu inspirieren und auszutauschen und so dafür zu sorgen, dass ebenjene Ideen, die am besten funktionieren, nicht nur an einer Stelle umgesetzt werden, sondern an möglichst vielen. Dass wir gemeinsam eine Breitenwirkung entfalten, ein Netz aus Impulsen, dass wir Pfade, Wege und schließlich ganze Infrastrukturen prägen, auf denen Veränderung passieren kann. Dass wir Steine aus dem Weg räumen, loslaufen und machen, dass wir messbar machen und besser machen und so eine Etappe nach der anderen vollenden.

Und das alle gemeinsam.

Es bringt nichts, wenn einige wenige erfolgreich voranpreschen, während andere nur langsam vorankommen und sich womöglich längst abgehängt und alleingelassen fühlen. Es bringt nichts, ganz bei sich selbst durch die Ziellinie zu laufen, während viele noch am Start stehen und bislang vielleicht nicht einmal auf die Idee gekommen sind, sich am Lauf zu beteiligen. Ein Einzelsieg bringt vielleicht eine hübsche Anstecknadel, doch für die Agenda 2030 wäre das nahezu bedeutungslos. Die 17 Ziele zur Realität zu machen und damit die Grundlage zu schaffen für eine zukunftsfähige und lebenswerte Welt für alle, ist eine Herausforderung, die wir nur als Gemeinschaft erreichen können.


„Lokal handeln – global wirken“ und gemeinsam die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung zur Realität machen


Und ja, wir sind vielleicht nur ein einziges Land von jenen insgesamt 193 Nationen innerhalb der UN, die diese Entwicklung tragen. Ihr vertretet jeweils vielleicht nur eine einzige von insgesamt 10.773 Kommunen in Deutschland und dort seit ihr vielleicht nur ein einzelnes Rädchen in einem großen Verwaltungsgetriebe. Aber das reicht schon aus. Denn letztendlich wird all das von Menschen getragen!

Was wir tun – ob im Großen oder im Kleinen –, hat Auswirkungen. Lokal handeln, global wirken – das ist nicht nur ein schön klingender Spruch, sondern das, was in der Realität passiert und immer mehr spürbar wird. Hoffentlich.

Wir alle können dazu beitragen, dass all die vielen Zahnräder endlich fest einander greifen, dass Bund, Länder und Kommunen auf bestmögliche Weise zusammenarbeiten, sich austauschen und gegenseitig unterstützen, um diese gewaltige Aufgabe, die da immer noch vor uns liegt, in vielen kleinen, unnachgiebigen Schritten zu meistern.


Lasst uns mit der Welt ins Repair-Café gehen! | Neue Wege ausprobieren


Und wenn die bisherigen Wege nicht ausreichen, lasst uns einfach neue beschreiten. Ich hatte da auch schon ein paar verrückte Gedanken wie ein Netzwerk aus Dosentelefonen zwischen sämtlichen Bürgermeister:innen, um einen kurzen Draht zwischen den Kommunen zu gewährleisten. Oder einfach mit der Welt ins Repair-Café gehen, um sie dort mit vereinten Kräften wieder heile zu machen. Aber auch eine kleine, absolut machbare Idee war dabei, von der ich sehr hoffe, dass ihr sie mitnehmt und nutzt:

Nehmt euch jede Woche 10 Minuten Zeit – also nicht viel mehr als die Zeitspanne, die ihr mir gerade zugehört habt –, um einer Person von all den wichtigen Gedanken und Entwicklungen zu erzählen. Sprecht mit Menschen aus eurem Umfeld, mit Freund:innen und Kolleg:innen, sprecht mit anderen aus der Verwaltung, mit Politiker:innen, ruft einfach eine x-beliebige Nummer aus dem Telefonbuch an.

Worte sind bloß ein Anfang. Aber an der richtigen Stelle können sie schnell zu Taten werden und je mehr Menschen mit anpacken, desto besser und schneller kommen wir in Bewegung, desto größer ist unsere Chance, es noch zu schaffen. Also ist allein schon ein Anfang doch so viel mehr als das.


Die Agenda 2030 wahr werden lassen …


Ob das Glas heut nun halb leer oder halbvoll ist,
entscheidet sich auch danach, was die Tage hier für uns bedeuten.
Ob wir sie nutzen, um hier gemeinsam einen Moment lang zu feiern
und danach (übertrieben gesagt) eben weiter rumzueiern –
oder stattdessen mit neu entfachtem Eifer das Tempo zu steigern.
Denn so viel ist klar: Es gibt noch so viel zu tun.
Und zugleich auch viele junge Menschen, die machen wollen – also holen wir sie doch dazu!

Bitte lasst uns weiter mutig sein und mit ganzem Herzen schaffen,
um die Agenda 2030 wirklich wahr werden zu lassen.