Dieses Projekt war tatsächlich mein allererstes Poetic Recording – ein Auftrag, der damals aus Gesprächen mit dem Kommunalen Integrationszentrum sowie dem Jugendamt der Stadt Essen heraus entstanden ist. Während ich vorher schon mehrfach mit vorbereiteten Projekt-Texten für wichtige öffentliche Projekte aufgetreten bin, war der spontane Charakter dieser poetisch-dokumentierenden Event-Begleitung für mich eine besondere Herausforderung – gerade als jemand, der sehr perfektionistisch ans Schreiben geht und sehr bewusst mit Worten gestaltet. Dazu gab es hier direkt bei meinem ersten Sprung ins kalte Wasser keinerlei zeitlichen Puffer: Am Ende musste ich direkt im Anschluss an den letzten Vortrag auf die Bühne, nachdem ich gerade noch die letzten Worte auf dem Laptop notiert und schnell noch so gespeichert hatte, dass ich vom Handy darauf zugreifen konnte …
„Ein ganzer Saal voller Menschen, die bereit sind zu sehen“ – bei der fünften Essener Demokratie-Konferenz“
„Man könnte meinen, die Welt sei verrückt geworden …“
Bloß eine Ansicht von vielen oder begründete Sorge?
Hier wurde der Frage komplexe Beachtung geschenkt –
heute mit euch bei der fünften Essener Demokratie-Konferenz.
Ein ganzer Saal voller Menschen, die bereit sind zu sehen,
dass die Gefahren in unserer Mitte nicht einfach vergehen.
Dass es Zeit wird, zu reden, und Zeit wird, zu handeln.
Und gemeinsam einzustehen für Freiheit und Gleichheit im Lande.
Doch erstmal gemächlich – denn der Auftakt besteht
zunächst aus einem kleinen Pausengespräch.
Weil über eine Stunde für Kaffee wohl ein bisschen zu viel war.
Bloß ein kleines Malheur – man vergisst es schnell wieder.
(Wenn da nicht dieser Poetry Slammer Notizen gemacht hätte …)
Kehren wir zurück zum Problem: immer mehr rechte Tendenzen,
die unverhohlen Demokratie und Menschenrechte bekämpfen.
Und die nicht bloß weit im Osten, sondern leider auch in Essen und in den Nachbarstädten gedeihen.
Bis sich für uns schließlich zeigt: Wir schaffen das nur vereint.
2015: Das KI und das Jugendamt handeln,
die Konferenz hat Premiere, Akteur:innen finden zusammen.
Die Vernetzung gelingt und neue Wege entstehen,
um zu zeigen, dass und wie das mit der Demokratie wirklich geht.
Also Respekt für die Stadt und für das Bundesprogramm.
Hoffnung besteht, doch bleibt die Lage hier sehr brisant.
Und wie der Rechtsruck sich zeigt in sämtlichen Schichten,
zeigt Herr Mokros an der Studie zur Neuen Mitte.
Eine schwierige Frage, wie viel rechts wir hier finden.
Man macht sich kein Bild davon – doch hier bloß aus technischen Gründen.
Ein paar Augenblicke später ist die PowerPoint da.
Genau wie die Gefahr, das wird mit den Folien bald klar.
Denn auch wenn extreme Tendenzen scheinbar rückläufig sind,
sitzt die Fremdenfeindlichkeit immer noch tief in uns drin.
Das zeigt sich auch deutlich im Rechtspopulismus,
der salonfähig gemacht wird und die Gesellschaft vergiftet.
„Die Demokratie ein Versuch? Was wird passieren, wenn niemand was tut?“
Rechts wird normal, die Demokratie ein Versuch?
Was wird passieren, wenn niemand was tut?
Und ich frage mich: Können wir die bösen Geister noch stoppen?
Immerhin ganz am Ende ein klein wenig Hoffnung:
Der Glaube an Würde und Gleichheit ist weiterhin stark.
Dass sie die Demokratie schon längst aushöhlen, merken viele nicht mal.
Gegenüber dem Selbstzerstörungsdrang sind wir wohl leider nicht gefeit.
Aber zum Abschluss macht jemand klar: Die AfD ist keine wählbare Partei.
Und Diskussionen sind wichtig, wenn es um Neu-Rechte geht.
Plötzlich Krisenbesprechung, weil der Häusler noch fehlt.
Er käme erst im Dezember – tja, ein bisschen zu spät.
Und Halima fragt sich, ob sie bei der versteckten Kamera steht.
Doch es ist schon okay, denn der Mokros springt wieder ein
und erklärt äußerst treffend – nur die Folien sind etwas klein.
Davor wurde es Zeit, alle Ehre den Menschen zu geben,
die hier ihr volles Engagement in die Projekte legen.
Ein Hoch auf die Demokratie-Coaches und den Begleitausschuss.
Fünf Jahre Einsatz – keine leichte Kunst.
Und Dank auch an Fatma, die begeistert erzählt,
dass sie so wirken durfte, dass ihre Meinung auch wirklich zählt.
Und vielen Dank an die Dame aus dem Publikum, die von ihren Erfahrungen mit ihrem Mann im Rollstuhl erzählt hat und damit anschaulich gezeigt, dass Akzeptanz und gegenseitiger Respekt grundsätzlich möglich sind. Also braucht es vielleicht einfach nur Zeit, unglaublich viel Geduld und unseren immerwährenden Einsatz, um auch in einer vielschichtigen Gesellschaft zu einer Gemeinschaft zusammenzuwachsen.
Schließlich wird es Zeit für ein Päuschen und Treibstoff für den Magen.
Entgegen den komplexen Gesprächen hier nun einfach vegetarisch.
„Wir geben die Demokratie nicht auf. Wir tun etwas. Gemeinsam und mit ganzer Kraft.“
Und auch danach haben wir uns Zeit genommen, uns der Realität zu stellen. Was keine leichte und eine umso wichtigere Aufgabe ist. Wenn Klaus und Kristina uns vor Augen halten, dass die Demokratiemüdigkeit in unserem Land zunimmt und sich die Menschen wieder vermehrt nach starken Führern sehnen – was schrecklich absurd und so absurd schrecklich ist. Dabei haben wir uns doch geschworen: nie wieder.
Dass rechte Bewegungen real sind und die Identitären sich einklinken, wo immer sie eine Möglichkeit finden.
Wenn Vivianne und Micha uns erzählen, wie sich Rechtsextreme in Dortmund-Dorstfeld festgesetzt haben und was sie dagegen unternehmen. Aber dass es dort noch einfacher ist als in Essen, denn in Dorstfeld kann man zumindest sagen: Niemand im Stadtteil mag sie.
Während Max uns zeigt, dass die Steeler Jungs und die Altenessener Jungs noch immer von vielen Bewohnern akzeptiert oder zumindest geduldet werden. Dass die Gefahr präsent ist und weiter gewachsen und überregional vernetzt. Und dass wir dringend etwas tun müssen.
Ihr habt euch heute die Zeit genommen und der Realität gestellt. Und angefangen, Lösungsansätze zu erarbeiten. Allein das hat schon allen Respekt verdient. Danke dafür!
Und was ich ganz wichtig finde: Dieser Tag hat uns noch einmal eindrücklich gezeigt, dass wir hier nicht allein stehen. Sondern dass es unzählige Menschen an unserer Seite gibt, die sich alle an den verschiedensten Stellen für Menschlichkeit einsetzen. Die die Erkenntnisse von heute mitnehmen und weitertragen, die einander helfen und womöglich bald schon wieder an eurer Seite stehen. Wir brauchen uns nur umzuschauen und einander in die Augen zu sehen und gegenseitig zuzunicken. Wir geben die Demokratie nicht auf. Wir tun etwas. Gemeinsam und mit ganzer Kraft.
Dieses erste Poetic Recording war auf jeden Fall ein Abenteuer für mich – sowohl inhaltlich bei diesem absolut wichtigen und leider Jahre später immer noch erschreckend relevanten und mitunter echt erdrückenden Thema, das mich persönlich ja ähnlich betrifft wie alle damals Anwesenden. Als auch mit Blick auf die berufliche Herausforderung. Aber der Sprung ins kalte Wasser hat sich absolut gelohnt! Es war eine mitreißende Erfahrung zu spüren, wie die Anspielungen auf ein paar besondere Ereignisse in den letzten Stunden sofort greifen und die Anwesenden voll mitgehen. Und das, obwohl ich mich in dem Moment sehr unsicher gefühlt habe und der eine oder andere Versprecher dabei war. Was wieder einmal zeigt: Fehler auf der Bühne sind absolut in Ordnung, sie sind nur allzu menschlich und gehören einfach dazu. Oft stärken sie sogar die Verbindung zwischen den Menschen auf der Bühne und jenen im Publikum, durchbrechen die vierte Wand und machen wahrscheinlich unterbewusst klar: Wir sind eine Gemeinschaft.
Auch während der Veranstaltung ist einiges schiefgelaufen: Es gab unter anderem eine Terminverwechslung, ein paar Versprecher und natürlich den Klassiker mit technischen Problemen. Das passiert, wir können noch so gut vorbereitet sein und es doch nie ganz verhindern. Und hier war es für mich super dankbar, weil bei den Anspielungen auf solche Momente in meinem Poetry-Slam-Text sofort alle voll mitgegangen sind. Wir haben darüber gelacht – nicht weil es peinlich gewesen wäre oder so, sondern weil es den Rahmen für einen Moment aufgebrochen hat und damit eben einfach eine kleine Besonderheit war. Es war ein gemeinschaftliches Lachen, das angesichts der Konferenz-Inhalte auch einfach gutgetan hat. Und wenn kleinere Malheure ein erleichterndes Lachen zu erzeugen vermögen: Dann ist es doch eigentlich eine feine Sache, wenn sie ab und an passieren.